Spargel wäre erst im Mai bereit für die Ernte. Konsumenten wollen ihn aber schon früher essen. Bauern wissen, wie man das möglich macht.
Im Marchfeld herrscht Hektik: Der Spargel hat Hochsaison, und die ersten Erdbeeren wollen schon geerntet werden. Auch der Wind demonstriert seine Prominenz im Feld und weht die Plastikfolien von den Erddämmen, auf denen der Spargel wächst.
Eine Frau, die zu dieser Jahreszeit täglich ab 5.30 Uhr und bis in den späten Abend hinein wissen will, wie es Spargel, Erdbeeren und Wind geht, ist Birinci Sulzmann. Sie ist Spargel- und Erdbeerbäuerin in Mannsdorf an der Donau. 120 Saisonarbeitskräfte hören auf ihr Kommando, sortieren Spargel im Akkord, schneiden zu, waschen, verpacken und wollen von ihr hören, was sie gegen den Wind tun sollen, der den Plastikschutz vor Licht und Kälte vom Acker weht. “Jetzt einmal nichts. Wenn er aufhört, befestigen wir die Folien wieder”, sagt Birinci Sulzmann. Den Wind abstellen kann auch sie nicht.
Legt dieser aber eine Pause ein, gehören die Folien wieder an Ort und Stelle. Denn auch wenn sich der Spargel in diesem Feld vor Wien wohlfühlt – mehr als die Hälfte des österreichweiten Anbaus von 819 Hektar liegt im Marchfeld -, würde er ohne Zutun der Bauern erst Anfang Mai aus der Erde auftauchen und nicht schon einen Monat früher in den Supermarktregalen liegen. Nicht die Pflanze, sondern der Markt und die Konsumenten geben die Saison vor. Sie wollen Frühling so früh wie möglich, und das bedeutet Spargellust.
Da bleibt den Landwirten nichts anderes übrig, als die Erddämme, auf denen der Spargel wächst, in Plastik einzupacken: mit einer Schicht dunkler Folie, diese speichert Wärme und gibt sie an den Boden ab, und einer weißen Folie, falls es doch einmal zu warm wird und der Spargel langsamer treiben soll. Natürlich dient die Folie auch zum Schutz vor Vögeln sowie Unkraut und werde recycelt, sagt man bei der Spargelbauern-Vereinigung.
Ein weiterer Grund für die Folien ist die Nachfrage nach weißem Spargel. Das schon an Königshöfen als elitär deklarierte Elfenbeinweiß des Gemüses verdankt der Spargel dem Entzug von Sonnenlicht. Weißer Spargel wächst unter der Erde und wird gestochen, bevor die Spitze die Erde durchbrochen hat. Kommt er ans Licht, verfärbt er sich binnen Minuten violett. In weiterer Folge würde er grün werden. Ist die Pflanze doch etwas schneller als ihr Ernter, gibt es eben noch die Folie zum Schutz. In der grünen Version wurde Spargel schon von den alten Römern und Griechen hochgeschätzt. Die weiße “Sorte” gelangte von Deutschland aus weit später ins Spiel.
Liebe und Spargel!”
Insbesondere ob seiner Form priesen die alten Römer den Spargel zudem als liebesfördernd. Auch zu Landwirtin Birinci Sulzmann kam die Liebe über das Gewächs aus der Familie der Liliengewächse. 1992 zog die heute 44-Jährige mit ihrer Familie von der Türkei nach Österreich. Sie startete in Oberösterreich in der Gastronomie und kam bald darauf ins Marchfeld, nach Mannsdorf an der Donau. Hier erntete sie Spargel bei Johannes Sulzmann. Die beiden verliebten sich und bekamen zwei Söhne, Johannes und Georg. Heute sind die beiden 19 und 20 Jahre alt, und Birinci Sulzmann schupft den Laden allein. Vor drei Jahren verstarb ihr Mann überraschend. Sulzmann: “Es war eine sehr harte Zeit, und es ist immer noch schwer. Aber unser Hof besteht seit Generationen. Ich wusste einfach: Das darf nicht den Bach runtergehen. Es ist alles für die Zukunft gedacht.”
In einer anderen Branche zu arbeiten oder an einem anderen Ort zu leben könne sie sich ohnehin nicht vorstellen. “Ich liebe Spargel. Ich brauche mich nur in ein Spargelfeld zu stellen und sehen, wie sie stillstehen, die Stangen. Dem Spargel ist der Wind egal.” Und der ganze Stress, den wir uns machen, ebenso – so der unausgesprochene Nachsatz, von dem es nicht notwendig ist, ihn auszusprechen.
Quelle: derstandard.at
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