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Lebendes Fossil stirbt aus – da millionenschweres Geschäft – das im Meer beginnt und auf den Konten von Big Pharma endet -„Blue Gold“

Die Pfeilschwanzkrebse sind älter als die Dinosaurier und leben in unseren Meeren als „lebendes Fossil“. Aber nach 450 Millionen Jahren könnten wir kurz vor ihrem Aussterben stehen. Vor 250 Millionen Jahren überstanden die Pfeilschwanzkrebse ein Massenaussterben, das 95 Prozent aller Tierarten im Meer dahinraffte, nun scheint auch ihr Ende besiegelt zu sein.

 

Nur wenige Jahrzehnte haben die Menschen gebraucht, damit sie aussterben. Besonders interessant ist der Pfeilschwanzkrebs  für die pharmazeutische Industrie. Sie haben etwas, was der Mensch ihr abzapft, ihr Blut. Bis zu 15.000 Euro pro Liter wird für ihr Blut gezahlt. Das blaue Blut der Krebse dient dazu, Keime in Impfstoffen und Infusionen sowie an medizinischen Geräten nachzuweisen. Und so werden jedes Jahr an der Ostküste der USA über 500.000 Pfeilschwanzkrebse gesammelt, wenn sie zum Brüten an Land kriechen.

Blaues Blut im Wert von 15.000 Euro pro Liter

Blaues Gold“ – Das Blut dieses Tieres ist fast 15.000 Euro pro Liter wert - Rezeptefursleben.de

Der Pfeilschwanzkrebs (Limulus polyphemus) ist etwa eine halbe Milliarde Jahre alt und während andere Tierarten im Laufe der Evolution dramatische Veränderungen vollzogen, blieben die Pfeilschwanzkrebse im Prinzip so, wie sie waren. Daher gelten sie als wahre Boten der Urzeit!

 

Die ersten Vertreter der Familie der Pfeilschwanzkrebse (Limulidae) tauchten vor 450 Millionen Jahre auf und wurden 2016 in die Rote Liste gefährdeter Arten aufgenommen. Die Pfeilschwanzkrebse waren Millionen Jahre vor den Dinosaurier da und erlebten deren Untergang. Bis der Mensch auftauchte, hatten sie schon viele Spezies kommen und gehen sehen. Doch gegen den „modernen“ Menschen sind auch sie machtlos. Der „moderne“ Mensch will das von ihnen, weswegen sie die hundert Millionen Jahre überleben konnten. Das Blut von Pfeilschwanzkrebsen reagiert empfindlich auf Endotoxine und gerinnt schnell. Daher wird es als Testsubstanz in der Forschung eingesetzt. Auch Untersuchungen des Sehvermögens anhand von elektrischen Impulsen wurden schon durchgeführt, um menschliche Augenerkrankungen besser zu verstehen.

Während der Sauerstofftransport im Blut von Wirbeltieren mithilfe von Eisen-Ionen vonstatten geht („Hämoglobin“) und das Blut durch das Eisen rot ist, setzen Pfeilschwanzkrebse Kupfer-Ionen ein („Hämocyanin“), daher ist ihr Blut blau. Die Zucht der Tiere in Gefangenschaft ist bislang gescheitert.

 

Die Pfeilschwanzkrebse werden kurz nach der Blutung wieder in den Ozean entlassen, aber es wird geschätzt, dass 30 % infolge des Prozesses sterben. In Kombination mit der Verwendung von Pfeilschwanzkrebsen für Köder, Verlust des Lebensraums und Anstieg des Meeresspiegels auf Grund der Klimakrise schätzen einige, dass die Population in 40 Jahren um 80% gesunken ist.

 

Die Pharmaindustrie erntet seit Jahrzehnten aus einem ganz besonderen Grund kommerziell Blut aus dem Limulus Polyphemus – der atlantischen Pfeilschwanzkrebse -: „Blaues Gold“, wie es genannt wird, kann Zehntausende Dollar pro Gallone einbringen, berichtete Bloomberg . 

 

Studien zufolge lässt die Produktivität der Pfleilschwanzkrebse an der Ostküste der USA nach, was am Aderlass liegen könnte. Dies führt aber nicht nur dazu, dass die Gesamtzahl der Krebse leicht sinkt, sondern auch dazu, dass Millionen Zugvögel, die sich auf ihrem Weg nach Norden befinden, weniger Nahrung bekommen – sie ernähren sich von den am Strand abgelegten Krebseiern. Pfeilschwanzkrebse, vernetzt im Nahrungskreislauf, sind in Gefahr.

 

Pfeilschwanzkrebse sterben im Dienste der Pharmaindustrie.

Pfeilschwanzkrebse: Lebendes Fossil mit blauem Blut | Galileo

Pfeilschwanzkrebs, der die Dinosaurier überlebte, wird zum Opfer des „modernen“ Menschen!

Erst im November 2019 ergab eine phylogenetische Studie, dass Pfeilschwanzkrebse „eine Gruppe aquatischer Spinnentiere“ sind.

 

 

Ein lebendes Fossil steht im Dienst der Pharmaindustrie. Die zapft es massenweise an. Nach Millionen von Jahren seiner Existenz hat man sogar das lebende Fossil patentiert – Worcester Polytechnic Institute (WPI) ist eine private US-amerikanische Universität in Worcester (Massachusetts)

 

 

Seit den 1970er Jahren werden Pfeilschwanzkrebse in der Humanmedizin für einen Labortest zum Nachweis fiebererregender (pyrogener) Stoffe verwendet: Der Limulus-Amöbozyten-Lysattest (LAL). Dabei misst man mithilfe der Gerinnung eines Lysates, das aus den Blutzellen des Pfeilschwanzkrebses gewonnen wird, die Menge fieberauslösender (pyrogener) Bakterien.

 

Diese Verwendung birgt jedoch eine ethische Problematik, und zwar nicht unbedingt, weil den Tieren dafür ihr blaues Blut entnommen werden muss, sondern vor allem wegen der Art und Weise, in der dies bisweilen geschieht. Zwar kann man ihnen theoretisch einen Teil ihres Blutes entziehen, ohne ihnen zu schaden, doch das ist vielen nicht effektiv genug, weshalb sie die Tiere zu diesem Zweck töten, und zwar mitunter auf grausame Weise. In Japan presst man sie beispielsweise lebend aus, um das Lysat in maximaler Menge zu erhalten.

 

 

 

Das fertige Produkt ist 15.000 Euro wert – „Sie sind leicht zu fangen. Sie wehren sich nicht“

Die Fischer entlang der Ostküste Nordamerikas jagen die Krebse nachts, im Sommer während der Paarungszeit. Wenn sie am Strand und im flachen Wasser keine finden, fahren sie mit kleinen Motorbooten zwei, drei Kilometer aufs offene Meer hinaus und ziehen Schleppnetze hinter sich her, bis sich ganze Haufen der sperrigen Kreaturen darin verfangen haben.

 

„Sie sind leicht zu fangen“, sagt Kapitän George Doll, Fischer und Bürgermeister von Northport, nordöstlich von New York City. „Nichts an ihnen ist giftig. Sie sind langsam und wehren sich nicht.“ Doll fischt seit 1963. In den 1990er Jahren war die Krebspopulation stark dezimiert, seither gibt es Fangquoten. „Wir dürfen nur noch um die 150.000 Tiere pro Saison fangen, im ganzen Bundesstaat New York. Wir müssen Formulare ausfüllen, Zahlen angeben, aber es wird viel gelogen, es gibt einen Schwarzmarkt. Die Preise gehen durch die Decke. Früher brachte einer 25 bis 50 Cent. Heute sind es bis zu 4 Dollar.“

 

Die Pharmafirmen verdanken ihre prall gefüllten Konten dem Pfeilschwanzkrebs – einer Kreatur, die älter ist als die Dinosaurier und die in unseren Meeren als „lebendes Fossil“ umher schwimmt. Das blaue Blut der Krebse dient dazu, Keime in Impfstoffen und Infusionen sowie an medizinischen Geräten nachzuweisen. Es enthält ein Eiweißmolekül, das wie ein primitives Immunsystem funktioniert: Sobald es mit krankheitserregenden Coli-Bakterien oder Salmonellen in Berührung kommt, gerinnt es wie saure Milch. Der Nachteil ist, dass die Produzenten des Testverfahrens auf den steten Nachschub von Pfeilschwanzkrebsen angewiesen sind. Bis dann auch dieses Tier, irgendwann, wie die Dinosaurier, zu den Tieren gehören, die ausgestorben sind.

Jedes Jahr werden mehr als 400.000 Krebse wegen der wundersamen medizinischen Substanz, die durch ihren Körper fließt, ausgeblutet. Noch 2018 hatten sich die Pharmakonzerne verpflichtet, endlich die Blaubluternte zu beenden und  eine Alternative zu verwenden, die den Tieren keinen Schaden zufügt. Doch wie  Bloomberg berichtet, sterben immer noch Pfeilschwanzkrebse im Dienste der Pharmaindustrie.

 

Vor fast zwei Jahrzehnten hatte ein Professor an der National University of Singapore eine synthetische Lösung entwickelt, die möglicherweise wirksamer als Pfeilschwanzkrebsblut ist, und sie ist möglicherweise auch billiger. Aber es scheint, dass die Pharmaindustrie es vorzieht, Pfeilschwanzkrebse so lange bluten zu lassen, bis sie ganz ausgestorben sind. Denn ein weiterer Grund führt zu einem Rückgang der Bestände, und zwar die Küstenverschmutzungen. 

 

Der Wettlauf um das blaue Blut der Pfleilschwanzkrebse ist im vollen Gange. Statt endlich die synthetische Lösung als Alternative zu verwenden, will man Pfleilschwanzkrebse „züchten“, wie aus einer am 01. April 2020 veröffentlichen Studie in Frontiers  hervorgeht. Forscher von Kepley BioSystems aus North Carolina haben in Zusammenarbeit mit Wissenschaftlern von Joint School of Nanoscience and Nanoengineering  eine neue aquakulturbasierte Methode entwickelt, um Immunzellen aus Pfeilschwanzkrebsen zu ernten. Etwa 45.000 Tiere werden dazu benötigt. Die Tiere bleiben langfristig in einem speziellen Becken erhalten und bekommen eine spezielle Nahrung. So will man ihnen regelmäßig unter sterilen Bedingungen Blut abnehmen. Aber so sterben immer noch  Pfeilschwanzkrebse im Dienste der Pharmaindustrie.

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