Als die Regierung vergangene Woche eine allgemeine Impfpflicht ab Februar ankündigte, wurden rasch Stimmen laut, die den “Impfzwang” kritisierten. Der Begriff ist allerdings fehl am Platz, denn körperlichen “Zwang” wird es definitiv nicht geben. Geplant sind vielmehr Verwaltungsstrafen – deren konkrete Ausgestaltung ist allerdings noch offen.
Der Entwurf für die Impfpflicht für Gesundheitsberufe sieht Strafen bis zu 3.600 Euro oder vier Wochen Ersatzfreiheitsstrafe vor – das ist auch für Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) die Richtschnur, wie sie kürzlich sagte. Die konkrete Strafe müsste allerdings die Behörde festlegen. Dabei spielen verschiedene Faktoren eine Rolle. Auch die Einkommensverhältnisse der betroffenen Person müssten beachtet werden, sagt Medizinjurist Karl Stöger. Strafen dürfen jedenfalls nicht existenzgefährdend sein.
Kann es sein, dass man mehrmals zahlt?
Fraglich ist, ob die Strafe einmal oder mehrfach verhängt werden soll. Wer nur mit einer einmaligen Strafe zu rechnen hat, könnte sich gleichsam von der Impfpflicht “freikaufen”. Empfindlicher wären wiederkehrende Sanktionen. Christoph Bezemek, Professor für Verfassungsrecht an der Universität Graz, hält das jedenfalls für möglich: “Wenn ich mich nicht impfen lasse, dann verbleibe ich ja im rechtswidrigen Zustand.” Die Behörde könnte bei einem Verstoß gegen die Impfpflicht eine Frist setzen. Hält sich die betroffene Person nicht daran, könnte sie abermals abgestraft werden. “Das ist aber natürlich eine Frage der konkreten gesetzlichen Ausgestaltung”, sagt Bezemek.
Entscheidend ist aber: Drohen Verwaltungs- oder gar Haftstrafen, kann sich grundsätzlich jede Person aussuchen, ob sie sich impfen lassen will oder eine Strafe in Kauf nimmt. “Einen körperlichen Zwang”, also dass jemandem die Nadel mit Gewalt in den Arm gejagt wird, “wird es nicht geben”, sagt Stöger. Ein solcher ist übrigens auch im Entwurf zur Impfpflicht für Gesundheitsberufe explizit ausgeschlossen.
Unklar ist momentan auch noch, ob die Impfpflicht für alle gilt, die in Österreich leben, oder nur für Staatsbürger. Bezemek dazu: “Es braucht jedenfalls einen sachlichen Anknüpfungspunkt. Das macht bei einem Wohnsitz wahrscheinlich mehr Sinn als bei der Staatsbürgerschaft.” Denkbar wären auch Ausnahmen für Touristen. Der Gesetzgeber müsste dann aber begründen, warum er Touristen, die nur kurz im Land sind, von der Impfpflicht ausnimmt.
Was heißt das für 3G am Arbeitsplatz?
Ob Impfverweigerern künftig arbeitsrechtliche Konsequenzen drohen, hängt davon ab, ob der Gesetzgeber auch hier nachschärft. Derzeit gilt am Arbeitsplatz eine 3G-Pflicht, aber keine Impfpflicht. Denkbar wäre allerdings die Einführung einer 2G-Regel. Bei Verstößen würden nicht nur Geldstrafen, sondern auch arbeitsrechtliche Konsequenzen wie Kündigung oder Entlassung drohen.
Bleibt die bisherige 3G-Regel weiter bestehen, käme es zu einer bizarren Situation. Menschen müssten sich offiziell zwar impfen, könnten aber auch ungeimpft in die Arbeit gehen. Aus Sicht von Fabian Blumberger, Rechtsanwalt für Arbeitsrecht, könnte der Arbeitgeber aber auch von sich aus eine 2G-Regel am Arbeitsplatz einführen. Bisher war das unter Juristen nicht unumstritten. Gäbe es eine staatliche Impfpflicht, würde dem Arbeitgeber im Fall eines Rechtsstreits aber die Argumentation leichter fallen, sagt Blumberger.
Stehen Hilfen für einen Impfbonus im Raum?
Der Nationalratsabgeordnete Gerald Loacker (Neos) will mit einem eigenen Vorstoß die Impfbereitschaft durch ein positives Signal erhöhen. An ihn seien Unternehmer herangetreten, die ihren Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen “gerne einen Impfbonus auszahlen würden, wenn diese schon geimpft sind oder sich jetzt impfen lassen”. Das würde Ungeimpfte auf eine erfreulichere Weise motivieren als Lockdowns und Impfpflicht.
Das Problem, mit dem die Unternehmen sich aber konfrontiert sehen: Diese Boni müssten von der Steuer befreit werden, damit die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nicht am Ende die Hälfte an den Staat abgeben müssen. “Wir geben jetzt wieder so viel Geld für die Wirtschaft aus, wenn das bewirkt, dass sich mehr Menschen impfen lassen, wäre das sogar ein Geschäft für den Finanzminister und kein Ausfall”, meint Loacker. Natürlich müsste man das Gesetz für 2021 und 2022 anpassen. DER STANDARD fragte im Büro von Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) nach. Dort hieß es, man werde sich den Vorschlag “rechtlich ansehen und das intern beraten”. Allzu viel Zeit bleibt dafür freilich nicht. Im Dezember müsste eine Änderung im Einkommensteuergesetz (EstG) im nächsten Plenum im Parlament beschlossen werden.
Für wen wird es Ausnahmen geben?
Da sich manche Menschen aus gesundheitlichen Gründen nicht gegen das Coronavirus impfen lassen können, wird es bei der Impfpflicht freilich Ausnahmen geben. Laut Bundeskanzler Alexander Schallenberg (ÖVP) werde man sich dabei an der Impfpflicht für Gesundheitsberufe orientieren. Dort gibt es einerseits eine Ausnahme für Schwangere – für sie ist die Impfung momentan noch off-label –, andererseits für jene, “die ohne Gefahr für Leben oder Gesundheit nicht geimpft werden können” – das ist durch eine amtsärztliche Bestätigung nachzuweisen. Für Jurist Stöger ist das schlüssig: Immerhin seien ein Amtsarzt oder eine Amtsärztin einerseits dem Staat, andererseits dem ärztlichen Berufsrecht verpflichtet. “Wenn jeder das ausstellen kann, besteht die Gefahr von Gefälligkeitsattesten”, sagt Stöger.
Nur: Welche gesundheitlichen Gründe sind es, die gegen eine Impfung sprechen könnten? Laut den Empfehlungen des Nationalen Impfgremiums ist etwa eine zweite Impfung ausgeschlossen, wenn man nach der ersten Impfung einen allergischen Schock hatte. Außerdem soll, so heißt es in den Empfehlungen, vor planbaren Operationen ein Abstand von 14 Tagen zur Impfung eingehalten werden. In den FAQs zur Impfung von der Stadt Wien heißt es etwa in Bezug auf Allergien, chronische Vorerkrankungen des Immunsystems oder bei Personen, die Gerinnungshemmer einnehmen, man solle sich vorher genau mit dem behandelnden Arzt oder der behandelnden Ärztin besprechen. Und: “In vielen Fällen wird eine Impfung trotzdem möglich sein.” (Jakob Pflügl, Gabriele Scherndl, Colette M. Schmidt, 23.11.2021)