NÜRNBERG – Der Nürnberger Club “Hirsch” wurde kurz vor Weihnachten zum Schnelltest-Zentrum, zahlreiche Menschen ließen dort rund um die Feiertage Abstriche nehmen. Nun stellt sich heraus: Bis zu hundert Ergebnisse waren fälschlicherweise positiv. Die Schuld für das Schlamassel schieben sich Betreiber und Hersteller gegenseitig zu.
Die ersten, die misstrauisch wurden, waren die Getesteten selbst. “Wir waren vor dem 24. Dezember zehn Tage in Quarantäne”, erzählt ein Nürnberger, der anonym bleiben möchte. Am ersten Weihnachtsfeiertag haben er und seine Freundin sich im kurz zuvor eingerichteten Testzentrum im Nürnberger “Hirsch”, einem Club in der Vogelweiherstraße, auf das Coronavirus testen lassen. Wenige Minuten später kam das Ergebnis: positiv.
Der Schreck saß zunächst tief, ein anderer Schnelltest kurz zuvor war noch negativ ausgefallen, deswegen hatte der junge Mann seinen 80-jährigen Vater besucht. Um sicher zu gehen, überprüfte das Paar das Ergebnis mit einem weiteren Schnelltest und, nach den Feiertagen, mit einem PCR-Abstrich bei der Hausärztin. Alle waren negativ.
Testzentrum zog Konsequenzen!!
Zu diesem Zeitpunkt haben die Verantwortlichen des Testzentrums bereits Konsequenzen gezogen. Erst am 21. Dezember hatte es den Betrieb aufgenommen, kurz darauf häuften sich die Unregelmäßigkeiten. Nicole Modl, Geschäftsführerin beim Betreiber Modl Medical, berichtet von eingerissenen Teststreifen, leeren Ampullen und “einer großen Anzahl an Tests, die nach Aufbringen der Flüssigkeit keine Reaktion zeigten”. Mit anderen Worten: Das Material war mangelhaft. Am 26. Dezember habe man daher die Tests ausgetauscht und bei einem anderen Hersteller eingekauft, so Modl. Seitdem gebe es keine Probleme mehr.
Das Concertbüro Franken, das im “Hirsch” normalerweise Partys und Konzerte organisiert, hatte sich Mitte Dezember die Fachfirma Modl Medical ins Boot geholt, um umzusatteln – hauptsächlich, um nach dem monatelangen Stillstand, zu dem die Corona-Maßnahmen Kulturschaffende gezwungen haben, überhaupt wieder etwas zu tun. “Das große Geld kann man damit nicht verdienen”, sagt Mitarbeiter Guido Glöckler. Ein Schnelltest ist für 29,99 Euro zu haben, im Vergleich zu anderen Anbietern ist das relativ günstig. Die “medizinische Hoheit” bei der Durchführung habe Modl Medical, das Concertbüro ist für die Organisation vor Ort zuständig.
Dass der Start so holprig verlief, ärgert beide. “Wir haben Pech gehabt”, konstatiert Glöckler, Modl beschreibt den Vorfall als “absolut ärgerlich”. Anfang des Jahres wird schließlich auch das Nürnberger Gesundheitsamt stutzig. Alle positiven Testergebnisse, die im “Hirsch” registriert werden, müssen an das Amt weitergegeben werden. Zur Überprüfung veranlassen die Mitarbeiter dort PCR-Tests bei den Betroffenen – die fielen bei Menschen, die im “Hirsch” als infiziert eingestuft worden waren, auffallend häufig negativ aus. Die Ergebnisse des Schnelltests und des etwas verlässlicheren PCR-Tests unterschieden sich also.
Bis zu 100 falsche Ergebnisse!!
Rund um die Weihnachtstage gab es 15 bis 20 abweichende Fälle pro Tag, wie Gesundheitsreferentin Britta Walthelm mitteilt. Das heißt: Eine nicht unerhebliche Anzahl von Tests, die zum Jahresende in der Vogelweiherstraße durchgeführt wurden, war mit hoher Wahrscheinlichkeit falsch-positiv. Bei bis zu 20 Fällen täglich zwischen dem 21. und 26. Dezember kommt man so auf bis zu 100 falsche Ergebnisse.
Aus pandemischer Sicht ist das Problem gering, vermeintlich Infizierte stecken niemanden an. Für die Betroffenen ist es allerdings unangenehm. “Wir hatten selbst einen Fall”, sagt Guido Glöckler vom Concertbüro Franken. Ein Mitarbeiter hatte einen der Schnelltests vor Ort genutzt und war positiv – die Aufregung war groß, bis ein darauffolgendes negatives Ergebnis Entwarnung gab.
Der Schnelltest, um den es sich handelt, wird von der Firma Unioninvest in Istanbul produziert. Das Produkt mit dem Namen Unibioscience vertreibt in Deutschland die Science & Care Vertriebs GmbH. Geschäftsführer Armin Heckmann sieht keine Probleme. “Wir haben keine aus der Reihe fallenden falsch-positiven Ergebnisse bekommen”, sagt er. Eine gewisse Fehlerquote sei im Rahmen, außerdem unterscheide sich die Qualität der Ergebnisse je nach Fachkundigkeit bei der Durchführung. In einem anderem Testzentrum sei bei rund 3000 Testungen nur ein Ergebnis falsch-positiv gewesen. Im Nürnberger “Hirsch” wurden bisher etwa 2000 Abstriche durchgeführt.
“Ware wurde korrekt gelagert”
Der Unibioscience-Schnelltest ist in der ganzen Republik im Einsatz, in Betrieben und Altenheimen genauso wie in Testzentren. Modl Medical, die Firma, die für die Ausstattung des “Hirsch” zuständig ist, betreibt auch in München, Pappenheim oder in der Nähe von Augsburg Testzentren. In mehreren verwendeten sie den Unibioscience-Test – immer mit den gleichen Problemen. “Die Testbedingungen waren überall identisch”, sagt Modl, die Ware wurde korrekt geliefert und gelagert. Also müsse es am Material liegen. Sie will nun reklamieren.
Antigen-Schnelltests schlagen anders als der am weitesten verbreitete PCR-Test nicht auf Gensequenzen von Sars-CoV-2 an, sondern auf bestimmte Proteine, die Bestandteil des Erregers sind. Sie sind nicht so empfindlich wie der PCR-Test, müssen aber trotzdem eine Sensitivität von mindestens 80 und eine Spezifität von mindestens 97 Prozent haben, um den Kriterien des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) und damit denen der deutschen Testverordnung zu genügen. Die Werte geben wieder, wie häufig die Ergebnisse korrekt positiv beziehungsweise korrekt negativ sind. Bei Unibioscience liegen sie bei 97 beziehungsweise 99 Prozent.