Heute kann es regnen, stürmen oder schnei’n… ganz egal: Wir gehen trotzdem raus. Und kennen viele Gründe, warum die Natur der beste Ort für Kinder ist.
Text: Roland Rödermund!
„Es gibt kein falsches Wetter, es gibt nur falsche Kleidung!“ Diesen Hamburger Schnack wusste schon Oma ständig anzuwenden. Tatsächlich ist das Spielen an der frischen Luft elementar wichtig für jedes Kind – auch und erst recht bei Wind und Wetter.
Deshalb gehören zu jedem kinderzimmer ein Außengelände und ausreichend Spielplätze und Freiflächen, die fußläufig erreichbar sind und die wir zu jeder Jahreszeit mit unseren Kindern besuchen – zum Spielen, Toben und Auspowern. Früher bauten wir Buden im Stadtpark, spielten Verstecken vor dem Haus und fuhren im Winter Schlitten. Wir bildeten Banden, rollten den Grashügel hinunter und tobten durch den Park. iPad? Mamas Handy? Zu viel Fernsehen? Gab’s nicht! Heute konkurrieren Tablet und Computerspiele mit Wald und Flur.
Wussten Sie, dass sich der Bewegungsradius von Kindern in den letzten dreißig Jahren durchschnittlich um neunzig Prozent verkleinert hat? Dabei gibt es so viele gute Gründe, Sofa und Bildschirm den Rücken zu kehren – auch die Großstadt bietet genügend Freiräume!
Draußen macht gesund.
„Heute bleiben wir mal lieber drinnen. Sonst erkältet Ihr Euch noch!“ Gut gemeinte Sätze, aber wenn wir ehrlich sind: das Gegenteil von gut! Erkältungsviren übertragen sich viel schneller bei trockener Heizungsluft – und frische Luft steigert nicht nur die Abwehrkräfte, sondern ist auch wichtig für gesunde Schleimhäute. Das A und O ist natürlich ausreichend warme, atmungsaktive und wasserabweisende Kleidung. Denn wer nass wird und friert, ist auch schneller geschwächt und schließlich krank. Kinder, die oft draußen sind, neigen nachweislich seltener zu Allergien. Und wenn wir über ein paar Pfützen gesprungen und ordentlich durchgelüftet sind, freuen wir uns umso mehr, wenn wir wieder im Warmen sind.
Draußen macht stark.
Um die Wette rennen, auf Bäume klettern, über Pfützen springen, im Sand buddeln: Es sind die selbstvergessenen, spielerischen Tätigkeiten, die nicht nur die Abwehrkräfte, sondern auch die Koordination und Muskulatur, den Gleichgewichtssinn und die Schnelligkeit der Kinder stimulieren – und dafür haben sie natürlich viel mehr Platz als in geschlossenen Räumen. Sie werden spielend aktiver und robuster. Vitamin D, das ist bekannt, brauchen wir für starke Knochen! Aktuelle Studien legen sogar nahe, dass viel Tageslicht einen positiven Effekt auf die Sehstärke hat. Je weniger die Kinder künstlichem Licht ausgesetzt sind, desto höher die Wahrscheinlichkeit, dass sie keine Brille brauchen.
Draußen spielen relaxt.
Aaaaah, wie gut fühlt sich das an, wenn man sich den ganzen Tag ausgepowert hat und dann abends wie ein Murmeltier ins Bett fällt! Das geht auch den Kleinen so. Körperliche Bewegung und frische Luft sorgen aber nicht nur für einen gesunden, tiefen Schlaf, sondern fördern auch die allgemeine Ausgeglichenheit, weil unter freiem Himmel und in der Natur leichter Stress abgebaut und die Selbstwirksamkeit aktiviert wird. Und das geht eben einfacher als beim stundenlangen Starren auf Tablet, Handy oder Fernseher.
Draußen spielen macht schlau.
Wie Sie ja gerade gelesen haben: Kinder, die mehr draußen sind, werden seltener krank. Logische Schlussfolgerung: Sie fehlen seltener in Kindergarten oder Schule, verpassen weniger vom Austausch mit den anderen Kindern und später, wenn sie älter sind, auch weniger schulischen Lernstoff. Ha! Das klingt vielleicht einen Tick zu einfach, aber so simpel ist die Rechnung ehrlich gesagt auch. Ach ja: Eigenschaften wie Mut, Neugier und Fantasie werden auch angeregt, wenn Kinder draußen ihre Umwelt erkunden.
Draußen macht kreativ.
Ist das eine Höhle – oder ein Raumschiff? Ist das eine Wiese – oder die giftgrüne Erde auf einem fremden Planeten? In der Natur braucht man nichts, denn alles ist schon da – man muss es nur ins Spiel integrieren. Am erstaunlichsten aber ist: Draußen erfinden die Kinder mehr Möglichkeiten, sich selbst zu unterhalten, anstatt die Unterhaltungsangebote der Großen abzuwarten, bevor sie aktiv werden. Und jedes Spielen ist dabei einzigartig, spannend und ein kleines Abenteuer!
Draußen macht konzentriert.
„Da, ein Hase!“ „Oh, was zwitschert denn da?“ – in freier Wildbahn werden alle Sinne geschult: Hören, Sehen, Riechen, Tasten und sogar Schmecken (auch wenn wir darauf achten, dass Kinder nicht alles in den Mund stecken!). Eine Studie aus Michigan widmete sich 2008 dem Erforschen kognitiver Fähigkeiten und fand heraus, dass schon ein kurzer Spaziergang – egal bei welchem Wetter und egal, ob er wirklich genossen wurde – die Merk- und Konzentrationsfähigkeit um zwanzig Prozent steigerte.
Draußen macht echt Spaß!
„So, und jetzt alle schön leise sein!“ Nicht! Zumindest nicht draußen. Hier dürfen die Kinder toben und laut sein, wie es ihnen gerade gefällt. Sie müssen nicht still sitzen und können mit ihren Freunden um die Wette laufen, zusammen klettern und ihre Freiheit genießen. Und fürs Leben zu lernen fällt eben leichter, wenn man gar nicht merkt, dass man etwas lernt – weil es einem einfach nur großes Vergnügen bereitet. An die schönsten Draußen- Erlebnisse wird Ihr Kind sich noch als Erwachsener erinnern, also: runter vom Sofa, raus mit Euch!
Draußen ist dreckig.
Und das ist auch gut so: Denn mal so richtig im Matsch zu spielen macht nicht nur irre Spaß, sondern ist auch gut für das Immunsystem. Eine Studie des bayerischen Umweltministeriums von 2012 zeigt: Stadtkinder haben bis zu fünfzehnmal so häufig Allergien wie Kinder, die auf einem Bauernhof aufgewachsen sind. Waren Landkinder viel dem Dreck des Stalls ausgesetzt, waren sie zusätzlich vor Asthma und Allergien geschützt. Wenn wir also panisch jeglichen Dreck von unseren Kindern fernhalten – und das gilt auch für zu Hause –, sorgt das eher dafür, dass sie später an fälliger für Krankheiten sind.
Unser Autor fand als Kind nichts herrlicher, als mit dem Familienhund durch den Wald zu toben – bei jedem Wetter. Als Sohn eines Waldpädagogen weiß er heute, wie wichtig es ist, die Natur wertzuschätzen, und möchte als Ausgleich zum Job so oft draußen sein, wie es eben geht. Natürlich auch bei typischem Hamburgwetter…